Reisetagebuch, Kreta 2016 - Dritter Eintrag

Reisetagebuch, Kreta 2016 – Dritter Eintrag

Natürlich geht man hier auch mal wandern. Die strapaziöseste Strecke durch schattenloses Gebirgsgelände bewandert man natürlich in der Mittagshitze. Unsere Route führt erstmal, über Serpentinen, raus aus den Orten, rein „in den Berg“. Klingt reinholdmessnerhafter, als es letztlich war, aber doch treffend für jemanden wie mich, der „das Gehen“ sonst als gedankenlose Nebensache, eher also als streckenbewältigende Bewegung von A nach B oder einfach so als sinnlos-sinnliches Herumspazieren vollzieht.

In diesen Berg geht man also hinein, vorbei an der Ruine einer, stadtauswärts gelegenen, laut Reiseführer „seit der Saison 2000 geschlossenen“ Diskothek. Ein blasses, altes Schild am Straßenrand weist den Weg zu „Disco Time“. Vom offiziell ungenutzten, derzeit discozeitlosen Gelände hört man Hunde bellen. Was bewachen die da? Alte Erinnerungen an das „Viva la noche“? Also lieber andernwegs, ohne Discoabkürzung in den Berg reinkraxeln. Nach einiger Zeit in unbelebter Anhöhe endlich wieder die, auf seltsam autistisch aufgetürmte Steinhaufen gesprühten, blauen Markierungen. Glaubt man den Losungen, wohnen hier eine Milliarde Ziegen. Nur eine einzige von ihnen kreuzt unseren Weg. Als mit Resten von verwitterndem Fell bespanntes Skelett, über das wir großen Schrittes hinübersteigen müssen.

Der Pfad ist oft nur fussbreitschmal und steinig, mit stachligem Gestrüpp gesäumt. Ich wandere mit Latschen. Reinhold Messner wäre beindruckt oder würde mich wenigstens wiehernd auslachen. Irgendwann wieder ein handgeschriebenes Schild: Man beglückwünscht uns Wanderer und hofft, dass wir nicht allzu arg zerpiekt worden sind. Nönö, passt schon, alles cool, dankedanke, bisschen was zu trinken wäre jetzt schön. Nun geht es durch fast verlassene Orte. Ohne Menschen, ohne Laden, ohne Wirtschaft, fast ohne Leben. In den Häusern gibt es hier und da noch alte Frauen. Ein Lieferauto bringt wesentliche Nahrungsmittel und 1, 2 Worte ans Gartentor. Hunde bellen.

Wir, die seltenen Wanderer, latschen weiter ins Tal. Von hier oben sieht man schon die Pools der Urlaubsvillen und die nächste Getränkeeinkaufsmöglichkeit, in Sichtweite, aber noch drei Orte weiter.

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